Hope – 9.000 km auf der Flucht – Physisches Exemplar

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Beschreibung

"Wenn du in der Sahara vom Pick-up fällst, bist du tot." - Moussa

Sie haben alles verloren: Die Eltern, ihr Zuhause und die Hoffnung auf eine Zukunft.


Um ihrer ausweglosen Situation in Guinea zu entkommen, wagen die Zwillinge Moussa und Ibrahima die Flucht von Guinea nach Europa. Mit ihren fünfzehn Jahren machen sie sich einfach auf den Weg: ohne Gepäck, Proviant oder Geld: 9.105 km, zu Fuß, im Pick-up und Schlauchboot.

Mehr als einmal blicken die Brüder dem Tod ins Auge. Zurückgelassen in der Wüste. Gefangen in der Hölle von Tripolis. Ausgesetzt auf dem Mittelmeer. Alleine die Hoffnung auf ein besseres Leben lässt Moussa und Ibrahima die Strapazen überstehen.


Nur einer von zehn Flüchtlingen überlebt die gefährliche Reise. Werden die beiden Brüder schaffen, was den Wenigsten gelingt?



Titel: Hope – 9.000 km auf der Flucht

Autoren: Moussa, Ibrahima, Elise Märkisch

Umfang: 176 Seiten

ISBN: 978-3-00-067138-8


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Leseprobe:

Agadez (Ibrahima)

... am späten Abend erreichten mein Zwillingsbruder Moussa und ich die Wüstenstadt Agadez im Niger. Drei Tage zuvor waren wir aus unserer Heimat Guinea aufgebrochen, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa.

In Agadez, dem Drehkreuz für Menschenhandel, suchten wir nun den Fluchthelfer für die Fahrt nach Libyen.
Verschlafen stiegen wir aus und betrachteten erstaunt das Chaos um uns herum. Der Busbahnhof war brechend voll: sehr viele junge Männer, aber auch übermüdete weinende Kinder mit ihren erschöpften Eltern und die üblichen Straßenhändler, die lautstark ihre Waren verkauften.
Verunsichert blickten wir uns suchend um: Wie sollten wir in dieser Menschenmenge unseren Schleuser finden? War doch sein Foto das einzige, was wir bei unserer Abfahrt in Guinea bekommen hatten.


Ein junger Mann saß mit einem merkwürdig verdrehten Bein auf der Erde. Wir fragten ihn, wo die Pick-ups nach Tripolis, Libyens Hauptstadt, abfahren. Er bedachte uns mit einem verstörten Blick und antwortete:
Macht das nicht! Die Fahrt durch die Wüste ist die Hölle. Ich habe es versucht und bin vom Pick-up gefallen, der Fahrer fuhr viel zu schnell. Ich hatte noch Glück, dass ich mir nur mein Bein brach - der Mann neben mir fiel auch runter und war sofort tot.“

Moussa
und ich sahen uns entsetzt an. Was sollten wir tun? Es trotzdem riskieren? Noch konnten wir den nächsten Bus nach Guinea zurück nehmen. Aber war das eine Alternative? Was erwartete uns in Guinea? Das gleiche elende Leben als Sklave ohne Zukunft, und vor allem ohne jegliche Hoffnung auf eine Zukunft. Stumm blickten wir uns an und beschlossen, die Fahrt zu wagen. Alles war besser als unser altes Leben.

Als der junge Mann unsere Entschlossenheit erkannte, erklärte er resigniert den Weg:

Die Pick-ups nach Tripolis fahren nur einmal die Woche ab. Wenn alles gut geht, immer Montags. Heute ist Samstag, in zwei bis drei Tagen sollten sie zurück sein. Geht einfach dahinten zu der Tankstelle”, müde deutete er in die Richtung: “Wartet dort auf die Autos. Wenn sie kommen, zeigt allen Fahrern das Foto, bis ihr den richtigen Schleuser findet!“


Okay“, antworteten wir und gingen zur Tankstelle, wo wir uns in den Schatten einer Dattelpalme setzten und warteten. Wie zuvor hatten wir kein Geld für Essen, daher sammelten wir einfach die heruntergefallen Datteln auf und kauten solange auf ihnen herum, bis unsere Mägen nicht mehr ganz so laut knurrten. Glücklicherweise gab es in der Nähe einen öffentlichen Brunnen, so dass wir genügend Wasser hatten. Im Laufe der nächsten Tage kamen immer mehr Flüchtlinge zu uns, die auch alle nach Tripolis wollten. Schließlich müssen wir einige Hunderte gewesen sein und es wurde immer voller und chaotischer.

Gegen Mittag des dritten Tages sahen wir in der Ferne auf der Piste eine Staubwolke auf uns zurasen. Unruhe breitete sich aus, alle sprangen aufgeregt auf und rannten den Pick-ups entgegen. Staubbedeckte zerbeulte Autos bremsten scharf an der Tankstelle, erschöpft aussehenden Fahrer stiegen aus, tankten voll und füllten Wasserkanister.
Die Strecke von Agadez bis Tripolis ist 2.768 km lang. Das ist etwa so weit wie von Hamburg nach Malaga in Südspanien. Nur mit dem Unterschied, dass man die Strecke in Europa auf gut ausgebauten Autobahnen in 24 Stunden bewältigen kann. Die Fahrt nach Tripolis führte jedoch auf holprigen Pisten-Straßen mitten durch die Wüste.

Fährt man Tag und Nacht durch, schafft man den Weg mit viel Glück in vier bis fünf Tagen. Glück braucht man, um keinen Unfall oder kaputten Reifen zu haben, oder auf eine Landmine zu fahren. Um den lebensgefährlichen Überfällen durch Banditen zu entkommen, darf man nicht anhalten. Sehen doch die Wüstenbewohner, die praktisch nichts zum Leben haben, ihre einzige Einkommensquelle darin, die Pick-ups mit den Flüchtlingen zu überfallen.

Deshalb fahren immer mindestens zwei Pick-ups im Konvoi, um sich in Notsituationen gegenseitig zu helfen und zu verteidigen. Auch gibt es in jedem Wagen zwei Fahrer, die sich abwechseln. Einer fährt und der andere hält die Kalaschnikow bereit, zur Abwehr eines möglichen Überfalls.

Die Autos stoppen während der gesamten vier Tage nur wenige Minuten an einem der wenigen Brunnen, um das überlebenswichtige Wasser aufzufüllen. Und auch das nur im Schutz der Dunkelheit. Hält man im hellen Tageslicht, wäre man von den Banditen kilometerweit zu erkennen.
Schon viele Konvois wurden überfallen: die Fahrer mussten ihr Geld und Auto abgeben, die Flüchtlinge wurden gekidnappt und als Sklaven verkauft. Niemand weiß genau, wieviel Tausende von Menschen in der Sahara einfach verschwinden – es sind weitaus mehr, als auf dem Mittelmeer ertrinken.

All das wussten wir nicht, als wir die Reihe der Pick-ups entlang gingen und allen Fahrern das Foto von unserem Schleuser zeigten. Nachdem wir einige Leute befragten, erkannte einer den Mann und sagte:

Das ist Abdul, er steht dahinten, zwei Pick-ups hinter mir“.
Erleichtert liefen wir hin und zeigten Abdul sein Bild. Er nickte und erklärte: „Alles klar. Wir essen, ruhen uns aus und fahren bei Sonnenuntergang los. Wartet hier solange“.

Kurz vor Sonnenuntergang kam Abdul zurück und befahl allen aus unserer Gruppe ihr Gepäck, bis auf eine kleine Tasche, zurückzulassen und die Schuhe auszuziehen. So sollte jeder Zentimeter der kostbaren Ladefläche des Pick-ups ausgenutzt werden. Hätten dort normalerweise zehn Personen gut sitzen können, war der Profit für die gefährliche Fahrt natürlich größer, wenn man zwanzig Personen mitnahm. Also versuchte Abdul, so viele Menschen wie möglich unterzubringen, und die Schuhe der Flüchtlinge hätten nur unnötig Platz weggenommen.




Dann gab Abdul jedem von uns eine Flasche Wasser und einen dicken Knüppel. Erstaunt blickten wir auf den Stock. Was sollten wir damit? Uns gegen die Banditen mit ihren Gewehren verteidigen? Nein - Abdul zeigte uns, wie man den Knüppel in den Boden der Ladefläche rammte, um sich daran festzuhalten! So hatte man etwas, woran man sich während der Fahrt über die holprigen Pisten klammern konnte. Ob das wirklich half, nicht herausgeschleudert zu werden? Wir hatten keine Ahnung - aber was sollten wir machen? TÜV-geprüft war dieser “Sahara-Sicherheitsgurt” wohl eher nicht.

Angespannt kletterten wir zusammen mit den anderen Flüchtlingen auf die Ladefläche. Was würde uns erwarten? Würden wir lebend in Tripolis ankommen? In unserer Gruppe waren auch drei Frauen aus Guinea und zwei weitere aus der Elfenbeinküste. Die Frauen bekamen die sichersten Plätze in der Mitte der Ladefläche - wer am Rand saß, war dem Tod viel näher.

Später erfuhren wir, dass zwei der Frauen auf dem Mittelmeer ertranken. Was aus den anderen wurde, wissen wir bis heute nicht.

Nun lag der gefährlichste Teil unserer Reise vor uns:
2.800 km mitten durch die Sahara!